Vor sechzig Jahren entbrannte ein Konflikt auf Zypern, der sich zu einem Krieg ausweitete und in der Teilung der Insel resultierte. Wie so oft in der Geschichte des östlichen Mittelmeerraums, kämpften griechische und türkische Patrioten*innen erbittert und erbarmungslos gegeneinander. Immer wieder wird von Außen versucht, die Inselteile zusammen zu führen. Die Interessen der jeweiligen Seiten und ihrer politischen Partner, scheinen jedoch zu unterschiedlich, als das diese miteinander vereinbar wären.
In der Inselmitte befindet sich die letzte, geteilte Hauptstadt dieser Welt. In Nikosia/ Lefkosa kann man mittlerweile wieder zwischen den Kulturen den Grenzgänger spielen. Die Forderung nach Einheit, verblasst jedoch mit zunehmendem Wohlstand beider Inselteile.
Auf der einen Seite herrscht orientalische Exotik mit mittelalterlicher Bausubstanz, Bazaren und Caystuben. Mittlerweile wird hier viel investiert und versucht, die Altstadt zu erhalten.
Eine schicke griechich- europäische Shoppingmeile und internationale Restaurants sowie die üblichen Konsum- und Komerztempel prägen die Südseite.
Dazwischen finden sich immer wieder Verwaltungsgebäude und Behördenbauten aus der Zeit der britischen Besatzungszeit Zyperns.
Neben der geliebten Bürokratie, brachten die britischen Protektoren den Linksverkehr auf die Insel. Im Inselnorden, als auch in der Republik, wird nach wie vor links gefahren, allerdings haben die Autos der TRNC kein Länderkennzeichen. Soll dies etwa ein verstecktes Eingeständnis, auf die Nichtexistenz des Staates sein? Wohl kaum, an der Grenze bekommt man einen Stempel in den Pass; ob nun anerkannt oder nicht.
Einst siedelten griechisch- zypriotische Familien im Nordteil und bestellten das Land. Die türkische Invasion enteignete knapp ein Drittel der Inselfläche. Nach der Umsiedlung wurden leerstehende Häuser neu belebt, viele jedoch dem Verfall preisgegeben. Da ungenutzt, wurden auch orthodoxe Kirchen und Konvente über Jahre vernachlässigt. Die Anlagen werden erst seit Kurzem, häufig mit EU Subventionen, wieder in Stand gesetzt oder restauriert.
Eines der offensichtlichsten Zeugnisse einer verfahrenen Siedlungspolitik, ist die Geisterstadt Maras/ Varosha. Einstmals war Famagusta das Zentrum des Fremdenverkehrs auf der Insel. Fast achtzig Prozent der Hotelbetten fanden sich vor der Invasion im Inselnorden. Heute steht in diesem Stadtteil alles still. Varosha ist eine Art Freilichtmuseum, in einem mittlerweile zugänglichen Teil der internationalen Pufferzone.
Not macht erfinderisch. Man kann mit dem Mietfahrrad durch die ruinierte Stadt fahren. Bis vor Kurzem war hier noch militärisches Sperrgebiet, welches weiterhin von der UN, als auch den türkischen Streitkräften, bewacht wird. Ungeregelte Besitzansprüche, sowie die unrechtmäßige Enteignungen, werden diesen Zustand auch weiterhin künstlich aufrecht erhalten.
Mit ganz anderen Altlasten darf sich der Ort Lefke/ Lefka herumschlagen. Das Wort Kupfer leitet sich vom Inselnamen ab, so wichtig war die Insel einst in der Bereitstellung dieses Metalls. Exportiert wurde der Rohstoff bis in unsere Zeit. Mittlerweile haben jedoch Minen in Übersee den Vorrang auf diesem Gebiet. Zurück bleibt ein riesen Loch im Boden, Dreck und die, vor sich hinrostende, Verladeanlage am Strand.
Märthyrer-, Heldenparks und der allgegenwärtige Atatürk. Im Gedenken an die vermeintliche Schuld der anderen Seite, wird auf beiden Seiten mit harten Bandagen und viel Pathos sowie Propaganda gekämpft.
In der Nähe von Girne/ Kyrenia finden sich die Reste der Landungsoperation Atilla, jener Militärintervention, welche die Besetzung des nördlichen Inselteils einleitete.
Neben den erbeuteten Panzern, hat man sich auch die Mühe gemacht und ein Landungsboot an dem Küstenabschnitt aufgebockt, an welchem die türkischen Truppen einst die ersten Schritte auf der Insel taten.
Krieg erzeugt Leid. Die zu Märthyrern erklärten Soldaten fanden auf einem Heldenfriedhof ihre letzte Ruhestätte.
Vor lauter Propaganda und Leid, würden wir am liebsten die Flucht von der Insel antreten. Doch der ehemalige Flughafen NIC in Nikosia/ Lefkosa ist längst stillgelegt und von der Pufferzone verschluckt worden.
Auf dem Olymp wohnen angeblich die Götter. Nicht so auf Zypern, hier hat lediglich der britische Geheimdienst seinen Sitz. Im Nebel verbergen sich die Abhöranlagen, die den östlichen Mittelmeerraum nach Informationen belauschen.
Ob es nun britische Militärbasen, die UN Pufferzone oder türkische und griechische Soldaten sind, im Alltag fällt uns eine Überpräsenz von Militär- und Sicherheitskräften auf.
Ein wachsames Kameraauge hat stets den Blick auf sonnenverwöhnte Urlauberphantasien. Doch was erwartet man in einem Land, in dem selbst ein unschuldiger Supermarkt einen unmissverständlichen Namen trägt?
Zäune und Mauern scheinen in Zypern ein Dauerthema. Der Feldweg, welcher uns in Strandnähe brachte und uns im paradisischen Grün, Raum und Zeit vegessen ließ, wurde kurzerhand zugemauert. Dank gebündelter Kräfte, können wir jedoch eine Bresche schlagen und uns den Weg zurück in die Freiheit bahnen.
Neben Zäunen scheint auch das Havarieren von Schiffen eine Art Volkssport an der zypriotischen Küste zu sein. So finden sich in den Riffs rund um die Insel, ettliche Wracks die man besuchen kann.
Die Spaltung der Insel scheint einfach Programm zu bleiben. Wo die Reise hingeht scheint ungewiss. Symptomatisch wirken hierzu die Freizeitaktivitäten der Insulaner*innen. Ob nun stoisch in der Brandung fischen oder radikal mit der Schrotflinte auf Hasenjagd.
Ob man sich wirklich um einen Scherbenhaufen streiten muss? Immer wieder begegnen uns Berge von Müll an den Stränden. Welche Schildkröte will hier freiwillig nisten? Mikroplastik am Strand, Pestizidrückstände neben den frisch bestellten Äckern und Plantagen. Verrotende Industrieanlagen und ein Minenfeld in der Pufferzone. Hier wird nicht gekleckert...
Jetzt wollen wir uns wieder der Sonne, den Palmen und dem Tourismus auf der Insel der Aphrodite zuwenden. Genug der traurigen Horrorgeschichten, aus einem immer noch sehr lebendigen Kapitel des paradisischen Eilandes. Vielleicht finden wir ja im Troodos Gebirge die nötige Ruhe und Eintracht.
Das ist mit Sicherheit der informativste und bedrückendste Report den ich je über diese Insel gelesen habe.
Denis