Vielseitiger als erwartet, präsentiert sich einem die Nordküste des Iran, entlang des kaspischen Binnengewässers. Auch wenn selbiges eher für seine Erdöl und -gas Reserven bekannt ist, wird es im Iran gerne als Feriendomizil genutzt. Dabei zeigt sie die Vegetation entlang der iranischen Küste besonders grün und üppig und bot uns, nach der wüsten Vegetation des Inlandes, eine willkommene Abwechslung.
Ramsar, die Grand Dame am Kaspisee, besticht mittlerweile wohl nur noch mit dem Charme vergangener Zeiten. Vorbei sind die glanzvollen Empfänge, die der Schah im Casino dem internationalen Jet- Set gab. Vorbei die Zeiten, als der Direktflug von der Cote de Azur direkt an der palmenbestandenen Haustür landete. Heute wuchert die Vegetation wild im Garten des ehemaligen Grand Hotels und Schlangen verstecken sich im Unterholz. Die Bediensteten bemühen sich die alterwürdige Stimmung des Ortes aufrecht zu erhalten.
Nach wie vor schwimmen die Beluga- Störe im Garten Pavillon, in welchem der Schah tagte, wenn er zu Gast war. Heutzutage kann, dass entsprechende Eintrittsgeld vorausgesetzt, jeder im monarchischen Garten lustwandeln. Ruhig ist es mittlerweile unter den Palmen des großen Boulevards geworden. Es scheint, als sei der ehemals ruhmreiche Ort, dessen Kulisse in den Siebzigern dazu diente einen internationalen Beschluss zum Erhalt von Feuchtgebieten für Zugvögel zu verfassen, mittlerweile nur noch Ornithologen ein Begriff ist.
Auch wenn das Baden im Meer durch die islamischen Sittenvorschriften erschwert wird, zeigt sich die kaspische Küste doch wie eine einzig durchgängig bebaute Strandferiensiedlung.
Dass ein Meer nicht nur aus Wasser besteht, zeigt sich nach geübten Versuchen mit der Angelrute. Bei Ahmad hat es drei Stunden gedauert, bis er sein Mittagessen endlich an Land holen konnte. Dementsprechend stolz und zufrieden war er auch.
Die unter Hyrkanischen Waldgebiete bezeichneten Berghänge entlang der Küste Irans, entsprechen eher einem Regenwald, als dem was wir unter Wüstenvegetataion verstehen. Nach einer Zeit der Grünabstinenz, kann diese Üppigkeit und endlose Vielfalt an Vegetation und organischem Material, fast überfordernd wirken. Wie dem Wasser, scheint der Mensch auch dem Grün der Pflanzen eine besondere Affinität gegenüber zu verspüren. Wir fühlten uns gleich sehr wohl und in gewisser Weise auch heimisch. Der Biodiversitätshotspot bietet dem ein oder anderen Tier eine gute Versteckmöglichkeit. Neben unzähligen Vogelarten, hörten wir nachts endlich wieder Wölfe heulen. In unserer unmittelbaren Nachbarschaft leben und jagen Jaguare und syrische Braunbären ihr Mittagsessen.
In der Provinz Gilan lässt das schwülwarme Klima und die hohe Luftfeuchtigkeit sogar die intensive Produktion von Reis zu. Häufig sieht man in der Region Pagodendächer, wie man sie sonst nur aus dem ostasiatischen Raum kennt und fühlt sich dementsprechend auch schnell in eine andere Welt versetzt. Befinden wir uns noch in Iran oder sind wir etwa versehentlich nach Indonesien abgebogen?
So gedeihen im Gebiet des Kaspischen Meeres, rund um die Provinzstadt Lahijan, auch Teepflanzen besonders gut. Nachdem diese von einem adligen Iraner im achtzehnten Jahrhundert aus Indien eingeführt wurden, produziert der Iran mittlerweile seinen eigenen grünen- und schwarzen Tee. Die Teebauern und ihre Erntehelfer haben einen harten Arbeitsalltag. Elf Stunden schwitzen sie täglich, sechs Tage die Woche, unter der erbarmungslosen Sonne des kaspischen Klimas. Häufig finden sie sich zu Erntetrupps zusammen und hausen in kleinen Hütten, direkt zwischen den Teepflanzungen. Der Patron kommt gelegentlich vorbei, um die in hundert- bis hundertfünfzigkilo Ballen gepressten Teeblätter, mit dem Lieferwagen abzuholen. In den Lagerhallen der Kooperativen werden die Ballen durch Fermentation und Veredlungsprozesse weiterverarbeitet.
Im Teemuseum von Lahijan wird nicht nur Kashef as-Soltans, dem Begründer der iranischen Teeindustrie gedacht, sondern die Tee Produktion und Verköstigung soll im Verlauf der Geschichte dargestellt werden.
Auch wenn mittlerweile der Import indischer Teesorten das Geschäft der lokalen Produzenten erschwert und der pakistanische Reis um ein vielfaches günstiger produziert wird, als der Reis in Iran, sind die Iraner nach wie vor stolz auf ihre Produkte "Made in Iran".
Gerne kommt man an einem verlängerten Wochenende in die Stadt und bringt dann eben auch entsprechende Produkte mit nach Hause. Ebenso lässt sich jedoch der Tee, in einer der unzähligen Teebuden, mit guten Freunden genießen. Die selbstgemachten und noch ofenwarmen Kekse der Region, runden dabei den Genuß eines Gläschens gelungen ab.
Die grüne Umgebung lädt einfach zum Verweilen und die Seele baumeln zu lassen ein. Mit Blick auf den lotusbewachsenen See, lässt sich das schwülwarme Klima auch hervorragend aushalten.
Wer sich entlang der Kaspischen Küste durch Iran bewegt, kommt nicht daran vorbei, sich das Vorzeigedorf Masuleh anzuschauen oder die Burgruine von Rudkhan zu erklimmen.
Die Burg von Rudkhan, welche sich tief in den hyrkanischen Waldgebieten versteckt, wird im Volksmund die Burg der tausend Treppen genannt. Was das zu bedeuten hat weiß man, nachdem man nach einer Stunde und neunhundertneunundneunzig Stufen, endlich am Ziel angekommen ist.
Masuleh versucht sich mit seinem Charme als Ausflugsdorf und historischer Kulisse, einen Platz als Unseco Welterbe zu sichern. Die Zustimmung der vielen Iraner, die hier gerne ihr Wochenende bei Bohnensuppe, Tee und Shoppingstimmung genießen, hat das Dorf bereits gewonnen.
Das Umland und die Flucht vor den Besuchermassen, lassen einen erneut in die, nur von einigen Hirten, besiedelten Hänge des Küstengebirges eintauchen. Dieses hüllt sich gerne in üppige Nebelschwaden, um so sein grünes Juwel vor allzu neugierigen Blicken zu schützen.
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