Warum Abyaneh als das rote Dorf bezeichnet wird, leuchtet schnell ein und wird beim Blick ins Umland auch klar. Die Erde hat hier offensichtlich einen höheren Eisenanteil und zeigt sich dementsprechend in allen erdenklich rostroten Schattierungen. Der Lehm, die Mauersteine, selbst die Luft, könnte man meinen, habe einen gewissen Grad an roter Schattierung abbekommen. Dieses Alleinstellungsmerkmal lässt sich gut vermarkten und dementsprechend wird das Dorf auch gerne vom iranischen Staat beworben.
Am Wochenende erwacht das verschlafene Städtchen zum Leben. Man freut sich über Tagesgäste von Nah und Fern. Man präsentiert gerne die gelebte Kultur. Gerne übersehen wird, dass das Dorf kurz davor ist auszusterben. Ein entbehrungsreiches Leben scheint auch hier die Jugend, bei der Verwirklichung ihrer Träume, an diesem Ort nicht festzuhalten.
Beim Gang durch das Dorf fallen einem immer wieder Details an Türen und Fenstern ins Auge. So treffen wir hier zum ersten Mal, auf die in vielen Teilen Irans, üblichen Türklopfer für männliche und weibliche Gäste.
Bei den Iranern scheint es beliebt zu sein, sich in historische Gewänder ein wenig in die Alltagswelt der Region zu versetzen. Den besonders geschichtsbewussten und zumeist nur inlandstourismus gewohnten Iranern, scheint dies ein großes Anliegen zu sein.
Diesem Phänomen begegnet man im Land immer wieder. An vielen Stellen werden dementsprechend, passend zur Region und Zeitalter, themenspezifische Gewänder für Mann, Frau und die kinderreiche iranische Familie bereitgehalten.
Neben der traditionellen Kleidung hält Abyaneh aber noch andere Besonderheiten bereit. So wird in der Region ein besonderer Dialekt gesprochen. Dieser wurde zu Zeiten der Parther, also vor knapp tausend Jahren, in der Region Irans gesprochen. Ob diesen nachzuahmen, den Tagestouristen aus Isfahan auch gelingt, bleibt jedoch fraglich.
Gelebte Traditionen sind in dem Dorf tatsächlich in allen Winkeln verwurzelt. So tragen die Männer nach wie vor, auch aus praktischen Gründen, die weiten Seidenhosen. Diese eignen sich besonders bei warmem Wetter um den Temperaturen gut zu widerstehen. Die Tracht der Frauen, mit ihren blumengemusterten Kopftüchern, kann angeblich sogar bis in die Antike nachgewiesen werden.
Eine weitere Besonderheit des Dorfes stellt der Zoroastrismus dar. Hier wurde, wie man anhand mehrerer Feuertempel noch gut nachvollziehen kann, diese archaische Religion mindestens bis zum sechzehnten Jahrhundert vollzogen und gepflegt. Im Anschluss wich die Gemeinde, bedingt durch die verstärkte Einflussnahme des Islam in der Gegend, Richtung Yazd bzw nach Indien aus.
Häufig anzutreffen im Schia Islam und damit auch in Abyaneh vorhanden, sind die allgegenwärtigen Schreine. In ihnen wird den Märtyrern und Imamen, die vor Ort verstorben sind, gedacht. So zeigt sich auch hier ein moderat ausgeprägter Pilgertourismus.
Das Barzrood Tal bildet schon immer die Lebensgrundlage Abyanehs. Manche Walnussplantage mag mittlerweile brach liegen und der ein oder andere Pfirsichhain sollte mal wieder vom Unkraut befreit werden. Die meisten Dorfbewohner versorgen sich jedoch noch selbst in ihrem Garten mit dem Lebensnotwendigsten, auch wenn der Tourismus eine nicht unerhebliche Rolle spielt. Das Vorhandensein mehrerer Quellen im nahen Umland, hat schon immer geholfen den Wohlstand zu sichern und die fruchtbaren Böden zu nutzen.
Wasser war schon immer begehrtes Gut, das wussten auch die Bewohner des Dorfes frühzeitig zu schützen. So finden sich im nahen Umland drei Burgen, die das Tal von allen Seiten absichern sollten.
Nach so viel roter Kultur, zog es uns erstmal ins goldgelb der Wüste, wo die nächste Station sein sollte.
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