Der Aufstieg Tskaltubos begann vor knapp hundert Jahren. Damals wurden die Quellen des zuvor unbedeutenden Ortes offiziell zu Heilwasser erklärt. Damit begann der Aufstieg zu einem der Vorzeigespas der Georgischen Sozialistischen Sovietrepublik. Sanatorien und ein hydrologisches Institut wurden eingerichtet. Spätestens mit dem Anschluss ans Eisenbahnnetz, wurde der Ort für alle in der Soviet Union lebenden Menschen endgültig erschlossen.
Iosseb Bessarionis dse Dschughaschwili, war gebürtiger Georgier. Dass der, uns als Stalin bekannte Führer der Soviet Union, häufig hier verweilte, scheint jedoch eher dem Wunschdenken des örtlichen Tourismusverbandes zu entstammen. So schaffte es der Diktator und Massenmörder nur seltenst, sich von seinen wichtigen Aufgaben zu lösen und den weiten Weg in die georgische Heimatprovinz auf sich zu nehmen. Seine bevorzugte Quelle N°6 wurde restauriert. Nun kann man sich im Pool des Stälernen aufweichen lassen.
Nichtsdestotrotz bestand bis zum Kollaps des riesen Reiches ein reger Badetourismus. Verdiente Genossinnen und Genossen konnten in den Sanatorien ein Appartement beziehen und sich bei Massagen und Wassergymnastik vom Stress des Alltags entspannen. Am Abend gab es Kino, Theater oder Tanzvorstellungen.
Tskaltubo bot zu damaliger Zeit alles was man sich wünschen konnte und zeigte sich auf dem neuesten Stand. Die hundertfünfundzwanzigtausend Gäste jedes Jahr, konnten dies sicherlich bezeugen. Heutzutage schaffen, mit Mühe, siebenhundert pro Jahr den Weg in die großzügig angelegte Kuranlage.
Viele der Sanatorien stehen leer und verfallen. Bis vor einiger Zeit war der Ort noch ein Geheimtipp der Lost Place Community. Längst wurde dies jedoch von findigen Tourismusagenturen erkannt. So stehen mittlerweile Security Guards vor den Gebäuden und Bustouren von Kutaisi fahren den Ort gezielt an, um ein wenig Gänsehautfeeling bei den gelangweilten "Alles- schon- gesehen Touristen" hervorzurufen.
Tatsächlich ist der Ort jedoch weiterhin, was er immer schon war: Ein Wellness Paradies. So flanieren zwischen den verfallenen Gebäuden, wie selbstverständllich, Erholungssuchende durch den riesigen Kurpark und begehen ihre Bäderkuren wie zur Blüte des Ortes vor siebzig Jahren. Da der Ort nie wirklich verweist war, sondern eben nur die Nachfrage sank, wurden einige Spas durchgängig bewirtschaftet. In Teilen des Areals holt sich die Natur jedoch nach und nach zurück, was ihr zuvor genommen wurde. Moose und Flechten, aber auch die gepflanzten Bäume wuchern im tropisch, immer warmen Klima der Provinz ohne Einhalt.
Was nicht von der Natur in Kompost verwandelt wurde, benutzten die angesiedelten Abchasienflüchtlinge als Brennmaterial oder verkauften es. Nachdem, zwei Jahre nach der Unabhänigigkeit Georgiens von der Soviet Union, ein Krieg entbrannt war.
Von der Weltgemeinschaft nur beiläufig bemerkt, wurde ähnlich wie der Kaukasusteil Südossetien, Abchasien von Russland besetzt und der georgischen Kontrolle entzogen. Als Folge flüchteten fast eine viertel Million Georgier*innen, die zuvor in Abchasien lebten, ins georgische Mutterland. Vom georgischen Staat wurden sie in den leerstehenden Sanatorien einquartiert. Hier warteten sie teils Jahre lang, auf die ihnen versprochenen neuen Wohnungen. Aus Wartenden wurden Einheimische. Mancher wurde hier geboren, mancher blieb bis zum heutigen Tag. Die Hinterlassenschaft dieser Menschen, sozusagen die zweite Generation, macht den Ort zusätzlich spannend. So kann man den Alltag, anhand der Habseligkeiten die zurückgelassen wurden, nachvollziehen. Ein weiteres trauriges Kapitel eines von Russland diktierten Schicksals.
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