Der Höllenritt neigt sich dem Ende. Die endlosen Weiten Kasachstans sowie der Trasit durchs unruhige Russland, wollen gemeistert werden. Viel Sitzfleisch und Durchhaltevermögen hat es uns in den letzten Tagen abverlangt. Allein in Kasachstan liegen fünftausend Kilometer in knapp drei Wochen hinter uns.
Leider verpassen wir den Start einer Rakete vom berühmten Weltraumbahnhof Baikonur. Hier, inmitten der Kasachischen Steppe, hat sich Russland eingemietet und nutzt das Kosmodrom seit mehreren Jahrzehnten für seine Zwecke. Kasachstan profitiert von den Mieteinnahmen, nimmt jedoch die Umweltbelastung durch Raketentreib- und baustoffe, Sondermüll durch Fertigungsteile sowie die Wettereinbrüche nach Starts billigend in Kauf.
Als der Flug in den Weltraum noch zu phantastischen Träumereien gehörte, baute man eine Eisenbahn durch die Steppe. Damals ein Mammutprojekt, das mit repräsentativen Bauten ausgestattet wurde. Im Knotenpunkt Ayteke Bi scheint seitdem die Zeit stehen geblieben.
Wo die Fluten des Syrdarja auf den Steppenboden treffen, entsteht ein fruchtbares Delta. Vor den ambitionierten Plänen der Technokraten*innen aus Moskau, wurde hier in kleinen Parzellen der Boden bewirtschaftet. Kein Tropfen ging verloren. Heutzutage, nachdem in jahrzehntelanger Miss- und Monowirtschaft der Boden ausgelaugt wurde, erinnert man sich zurück an die Zeiten vor Gleichschaltung und Sovietdiktat. Leider kommt diese Erkenntnis zu spät. Der sagenumwobene Fluss verliert sich im Steppenboden, bevor er den Aral See erreicht. Der Ökozid des Sees ist längst beschlossene Sache.
Aralsk die Stadt am Aralsee scheint ein einziger "lost place", nicht weil sie im Wortsinne verlassen, sondern verloren ist. Früher stellte die Stadt mit ihrer Fischereiflotte einen wichtigen Wirtschaftsfaktor der Region dar. Eine Spezialität soll der Fisch aus dem See gewesen sein. Dieser fand sich auch in Moskau auf dem Wochenmarkt wieder. Heute ist dieser Glanz längst vergessenes Seemannsgarn. Wenn man sich anstrengt, dann hört man vielleicht die Brandung an die Kaimauer des Hafens schlagen. Die Möwen jedenfalls, welche den hiesigen Fisch- und Beifang gerne verspeist hatten, sind längt abgezogen.
Übrig geblieben ist salzige Steppe, Staub, Perspektiv- und Trostlosigkeit in der Weite Kasachstans. Längst hat eine Abwanderungswelle eingesetzt. Was könnte einen hier, im salzigen Nichts, halten?
Der Boden auf dem nichts wächst bedeutet Zhamanshin.
Vor hunderttausend Jahren kam es hier zu einem massiven Zwischenfall mit extraterrestrischem Material. Dieser hat ein vierzehnkilometer breiten Meteoritenkrater hinterlassen. Für Geologen ein Glücksfall, wurde der karge Steppenboden, sozusagen seit dieser Zeit, versiegelt. Die Nomaden konnten hier mit den Viehherden keinen Weidegrund finden, für sie war die Gegend nur von geringem Interesse.
In Aqtöbe hat man den ehemals sozialistischen Arbeitern*innen mittlerweile ein wenig mehr Leben versprochen. Die Stadt versucht ihrer viertelmillion Einwohner*innen nicht nur Arbeitsplätze im Hüttenwerk und der Chromverarbeitung zu bieten. Demenstprechend hat man mit Farbe und Liebe zum Detail ein neues Zentrum entstehen lassen. In Rufweite zur russischen Grenze will man hier allen Konfessionen gerecht werden.
Immer karger wirkt die Steppe. Dank den salzigen Böden wachsen hier nur wenige und schwer verdauliche Pflanzenarten. Allein Kamele sind im Stande in dieser, für andere Säuger und Nutztiere, lebensfeindlichen Umgebung zurechtzukommen. So bleibt den hier siedelnden Menschen nur die Zucht der äußerst genügsamen Tiere.
In Atyrau erleben wir wieder den Öl- und Gasboom, der in entsprechenden Gegenden Kasachstans nach wie vor beflügelnd wirkt. Die Stadt lebt und riecht nach den Derivaten der Raffinerieen. Hier wird schneller als in anderen Teilen des Landes Geld erwirtschaftet und ausgegeben.
Im Wolgadelta sammeln sich die Mücken und warten auf Reisende, die achtlos das Auto verlassen.
Das Steppenland in der Umgebung hält nach wie vor die schlechteste Straße Kasachstans für alle Stoßdämpfer bereit, die sich in diese Gegend trauen. Den Transit durch Russland wollen wir zügig hinter uns bringen. Was bleibt hier auch zu erzählen? Die politische Situation hat sich nicht verändert. Die Strecke ist die gleiche wie auf dem Hinweg vor nunmehr fünf Monaten. Also weitere achthundert Straßenkilometer bis zur rettenden Grenze Georgiens. Dann befinden wir uns wieder zurück auf bekanntem Boden. Nur noch viertausend Kilometer entfernt von zu Hause.
Eine Lanze müssen wir noch für die Einsatzkräfte der Polizei brechen. In fünf Monaten Zentralasien und knappen sechzehntausend Straßenkilometern, wurden wir seltenst angehalten und kamen mit exakt einem Strafzettel davon. Offensichtlich haben die Staaten Zetralsaiens ihr massives Korruptionsproblem im Straßenverkehr, zumindest bei internationalen Touristen, eindämmen können.
Vielleicht jedoch bringt ein ehemaliger Polizeibus auch einige Vorteile mit sich...
Doch wie soll es nun weiter gehen?
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