Nicht nur die Konflikte zwischen den sunnitischen- und den schiitischen Interessengruppen hat der Irak zu bewältigen. Das Land sieht sich, als ein seit Jahrtausenden von diversen Religionsanhängern*innen bevölkertes Land. So finden sich im Land, neben den großen monotheistischen Religionen, auch Anhänger*innen des: Jesidentums, Zoroastrismus, Mandaismus und Hinduismus.
Auch dieses Mal kommen wir nicht umhin uns zu vergewissern, ob die siebentausendjährige Siedlungsgeschichte von Erbil fortgesetzt wird. Eine Theorie zum Namen der Stadt besagt, dass dieser übersetzt "Haus der Ishtar" heisst. Ishtar war die babylonische Göttin des Krieges und der körperlichen Liebe.
Erbil zeigt sich nach wie vor orientalisch quirlig. Die kurdische Hauptstadt besitzt ein klassisches, vom Islam geprägtes, Stadtbild. Moscheen, Bazare und Kaffeehäuser prägen die Kulisse.
Ein Gefühl heimatlicher Verbundenheit schleicht sich beim Blick auf den Rebenhang oberhalb der Stadt Shaqlawa unweigerlich ein. Wir erwandern den Safeen. Auf der Bergspitze findet sich die Feuerschale und Reste des erst kürzlich begangenen Nowruz Festes. Das Nowruz Fest hat seine Wurzeln im persichen Raum und wird häufig mit dem Zoroastrismus in Verbindung gebracht.
Shaqlawa hat über Jahrhunderte einen starke Prägung durch das Christentum erfahren, dementsprechend finden sich neben Kapellen mit christlichen Friedhöfen...
...versteckt in einem Canyon mit Blick auf die Stadt, auch die tausendsechshundertjahre alte Einsiedelei Mar Boya.
Ein Zentrum der chaldäischen, der syrischen christlichen Kirche, war seit Jahrhunderten das Kloster Mar Mattei. Das Kloster wurde in besonders spektakulärer Lage gebaut, mit Blick auf die Ebene von Mossul. Es war über jahrhunderte der Sitz des Patriachen und damit sozusagen der Vatikan im irakischen Gebirge. Im Umland haben sich noch kleinere Eremitagen der hier siedelnden Mönchsgemeinde erhalten können.
Auch in Amedi kann das Kloster Odisho auf eine lange Geschichte zurückblicken. Es schmiegt sich etwas versteckt in einen Talkessel.
Die Region zwischen den Städten Mossul und Dohuk, ist seit jeher ein Siedlungsgebiet der jesidischen Glaubensgemeinschaft. Wie bereits beim letzten Mal schaffen wir es nicht an der Tempelstadt Lalesh vorbei. Ob Taufe oder Heirat oder eben der Beginn des Frühlings, in Lalesh kommen die Gläubigen zusammen und pflegen ihre Rituale.
Durch Zufall können wir einem besonderen Spektakel beiwohnen. Die jesidische Gemeinde bereitet das Öl für die, jeden Abend entzündeten, Lampen vor. Dazu werden an diesem kalten Frühlingstag die Säcke, mit der Olivenernte des Vorjahres, mit bloßen Füßen ausgestampft. Das austretende Öl wird in einem Becken aufgefangen und anschließend abgeschöpft. Dabei hilft die gesammte Gemeinde mit, das versteht sich von selbst.
Nicht zuletzt soll die Grundlage vieler hier beschriebener Religionen genannt sein: Der Zoroastrismus. Zwar sind die Spuren die man in der Nähe von Dohuk von dieser Glaubensgemeinschaft auffindet lange verfallen, nichtsdestotrotz werden die Praktiken der rituellen Feuertempel nach wie vor begangen. Vom alten Persien aus verbreitete sich dieser erste bekannte Monotheismus im gesammten Orient.
Selbst das, von Aussen so einheitlich wirkende Kurdistan zeigt also mit seiner Diversität einen enormen Fächer an religiöser Vielfalt. Trotzdem schaffen es die hier Lebenden seit nunmehr Jahrtausenden, sich miteinander zu arrangieren und in friedlicher Koexistenz ihren Glauben zu praktizieren, was hoffentlich noch lange währt.
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