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Mardin und die christlichen Gemeinden

Nach der Geburtsstadt Abrahams geht es weiter auf alttestamentarischer Spurensuche. Die drei großen Weltreligionen sind in dieser Region vielseitig vertreten. Diverse Klöster und Pilgerstätten, welche von allen verehrt werden, zeugen hiervon. Bei uns banal als Krisen- und Konfliktregion definiert, wird einem hier schnell bewusst, dass die hier lebenden Menschen durch ihre vielseitigen Interessenkonflikte erschwerte Vorraussetzungen haben.


Der Weg führt zunächst durch eine Geröll- und Steppenlandschaft. Alles wirkt karg und trostlos. Ausser ein paar Hirten mit ihren Ziegen- oder Schafsherden verirrt sich hier niemand hin. Langsam wird die hügelige Landschaft wieder grüner und flacher und lässt erneut Ackerbau zu. An der D400 werden einem die wirtschaftspolititschen Interessen der Volksrepublik China bewusst. Die Straßenseite von China kommend, ist neu geteert und glänzt im gleißenden Licht der Sonne. LKW Kollonnen kommen uns entgegen, ein stetiger Warenstrom in Richtung Mittelmeer. Die Straßenseite nach Osten ist von Schlaglöchern übersät und nur mäßig geflickt. Hier hatte die Entwicklungshilfe der VRC offensichtlich keine Notwendigkeit mehr gesehen. Es wird ein Spießroutenlauf für die Stoßdämpfer, bis wir Mardin erreichen sollten.


Ein besonderes Beispiel der Diversität dieser Region bildet die alterwürdige Stadt Mardin. Hier regierte nicht nur die erste weibliche Bürgermeisterin der Türkei, überdies ist sie auch noch syrische Christin in der mehrheitlich vom Islam gepägten Türkei. Immer wieder begegnen uns Kirchtürme in dieser Gegend. Mardin war auch dank seiner Lage auf einem Felssporn mit Blick auf die syrische Ebene und dem Durchzug der Karawanen auf ihrem langen Weg auf der Siedenstraße, stets Schmelztiegel verschiedenster Kulturen. In der Zitadelle über der Stadt haben sich alle Herrscher, welche zwischen Bagdad und Istanbul das Sagen hatten, abgelöst. Das Handelszentrum der Region steht seit geraumer Zeit unter besonderem Schutz der Unesco, welche sich um den Erhalt der alten Bausubstanz sorgt.

Zunehmend wird die Region auch von Touristen frequentiert. Direktflüge aus Istanbul machen die Stadt zu einem erreichbaren Ziel. Die überaus gastfreundlichen Mardiner Bürger, machen es einem einfach sich hier wohl zu fühlen. Man scheint stets herzlich willkommen. Jeder will wissen wo wir herkommen und so mancher kennt die Heimat aus seiner eigenen Biografie. So schwelgt man mit Fremden in Erinnerungen beim Blick über die syrische Ebene.

Verborgen bleibt einem nicht, dass die Region wirtschaftlich unterentwickelt ist. An Kinderarbeit stören sich hier die wenigsten. Dies bedeutet auch, dass diese ihre Kindheit für harte Feldarbeit oder im Dienstleistungssektor opfern müssen. Es scheint, ein Kinderleben geht in dieser Region schneller ins Erwachsenenalter über, als wir das von zu Hause gewohnt sind.


In den vielen Basarvierteln Mardins, gibt es diverse regionale Spezialitäten zu entdecken. Manchmal auch die ein oder andere Kuriosität. Uns hat die Eselmüllabfuhr besonders gut gefallen.


Neben der vielseitigen Küche der Region, sowie diverser gastronomischer Spezialitäten, bildet der bekömmliche syrische Wein sicherlich eine Besonderheit für sich. Diesen galt es natürlich beim Stadtbummel zu verkosten.


Zentrum der syrisch orthodoxen Glaubensgemeinde bildete lange Zeit das Kloster Deir az-Zafaran.

Knappe achthundert Jahre war das Kloster Sitz des Patriarchen und damit sozusagen der Peterdom der syrischen Christen. Mittlerweile weilt der Patriarch in Damaskus, das Kloster besitzt jedoch nach wie vor einen hohen Stellenwert in der Glaubensgemeinde. Wie viele der Klöster im Nahen Osten, wirkt das Kloster von aussen eher wie eine wehrhafte Burg. Eine Erklärung mag die Entstehung vor knapp tausendfünfhundert Jahren sein. So musste sich die Klosterburg über manches Jahrhundert beweisen. In der Klosterkirche wird, wie seit Ewigkeiten, täglich eine Messe in aramäischer Sprache veranstaltet. Man vermutet, dass hier bereits vor der christlichen Inbesitznahme ein assyrisches Sonnenheiligtum bestanden haben soll. Diverse Fensternischen, mit entsprechender Ausrichtung, lassen diesen Schluss zu. Beweise hierfür gibt es jedoch keine.


Trotz aller Vorbehalte, welche man in unseren Breitengraden dieser Gegend gegenüber hegt, können wir nur positives Berichten. Für uns war die Südosttürkei die Entdeckung beim Trip durch dieses vielseitige Land. Die Menschen hier wirken sehr freundlich, aufgeschlossen und überaus herzlich. "Hallo Deutschland", ist eine häufig gehörte Phrase, welche uns entgegengeschmettert wird, während wir mit dem Bus durch die Straßen der Gegend rollen. Horden von Kindern verfolgen uns, während uns die Handgelenke vom vielen Winken aus den Fenstern schmerzen.

Endlich haben wir es auch geschafft, unsere Speyerer Freunde, welche sich auf dem Rückweg aus Iran befinden, zu treffen. Für die nächste Zeit bilden wir jetzt eine kleine Karawane und fahren zusammen weiter.


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