Eines der traurigsten Kapitel, des damals dahinschwindenden Osmanischen Reiches, bildet sicherlich die, bei uns als Genozid an den Armeniern bezeichneten und im Schatten des ersten Weltkrieges durchgeführten, Säuberungsaktionen. Laut offizieller, türkischer Lesart gab es wohl bedingt dadurch, dass einige Armenier mit dem russischen Zarenreich kollaboriert hatten, vereinzelte Scharmützel und rechtlich abgesicherte Erschießungen in den betroffenen Gebieten.
In der Realität sah sich jedoch der armenische Bevölkerungsanteil zunehmender Progrome und Übergriffe, im Rahmen des erstarkenden Nationalismusgefühls, ausgesetzt. Nachdem sie von ihrem Land enteignet und ihrer Reichtümer entledigt wurden, organisierte der türkische Staat systematische Todesmärsche und Massenhinrichtungen. Insgesamt wird von einer Zahl zwischen einem drittel bis zu anderthalb Millionen ermordeter Armeniener ausgegangen. Weite Landstriche der Osttürkei waren als Folge der Aktionen verwaist und wurden durch türkische Bauern neu besiedelt.
Bilder mit Symbolcharakter: Karges Hochland, armenische Ruinen, türkische Siedlungen.
In Kars, der ehemaligen russischen Garnisionsstadt, wurde einst ein Denkmal errichtet, dass den Schulterschluss der beiden Völker zum Thema hatte. Es wurde unter der Erdogan Regierung wieder deinstalliert. Die Ferne zum nächsten Nachbarn soll weiterhin aufrechterhalten werden. Eine Annäherung oder gar Anerkennung des Genozids, wird von Ankara nicht angestrebt.
Die ehemalige armenische Hauptstadt Ani liegt, durch den Canyon des Achurjan Flusses vom Mutterland getrennt, an der türkisch- armenischen Grenze. Zwischen militärischem Sperrgebiet und Grenzpatrolien können die, von der Unesco geschützten, Ruinen der weitläufigen Anlage erkundet werden.
Mehr als hunderttausend Menschen sollen die Stadt der tausend Kirchen einst besiedelt haben. Sowohl gegen die Mongolen, als auch gegen die Schärgen Timurs, konnten sich die hier Lebenden behaupten. Die an der Seidenstraße gelegene Stadt, war vor knapp tausend Jahren weltliches und geistiges Zentrum der armenischen Gemeinde. Nach und nach legte sich jedoch der Staub der Geschichte über die Metropole, die bereits vor dreihundert Jahren nur noch einem unbedeutendem Dorf glich. Die Osmanischen Truppen konnten, vor letzlich hundertundzwei Jahren, ihre Vormachtsstellung behaupten und so befindet man sich seitdem in der ehemaligen armenischen Hauptstadt auf türkischem Grund.
Das am Ararat tatsächlich die Arche gestrandet sein soll, scheint wohl eher zu den vielen christlichen Mythen dieser Gegend zu gehören. Als Nationalsymbol besonderer Stärke und Größe, scheint der erloschene Vulkan jedoch immer wieder herhalten zu müssen. Nicht nur die Türkei, sondern auch Armenien beansprucht den Berg in der Grenzregion beider Länder.
Während der Zeit der sovietischen Annektion Armeniens, gab es wohl die Episode, dass die damalige türkische Regierung den Armeniern drohte und diesen verbieten wollte, den Ararat auf ihren offiziellen Logos zu verwenden. Schließlich würde sich der Berg doch in der Türkei befinden. Ein sovietischer Diplomat entgegnete den türkischen Offiziellen mit dem Hinweis darauf, dass die Türken schließlich auch den Mond in ihrer Flagge verwenden würden und dieser nicht nur ihnen gehören würde.
Armenien nutzt den Berg nach wie vor als Siegel auf seinen offiziellen Dokumenten.
Vorbei ging es an Dogubayezid, welches für die meisten Reisenden die letzte Station vor der Grenzüberquerung nach Iran bedeutet. Hier machten wir den klassischen Stop am Ishak Pasha Sarayi und ließen Landschaft und orientalische Architektur bei einem Tee auf uns wirken. Hier wurde einst der kurdische Statthalter gegen die armenische Bevölkerung instrumentalisiert, um erste Verfolgungen und Vertreibungen zu begehen.
Mittlerweile befinden wir uns also auch wieder mitten im, von Kurden geprägten Teil der Türkei. Dementsprechend häufig werden wir von der Polizei oder dem Militär angehalten und unsere Pässe kontrolliert. Erneut zeigen sich Panzersperren, Maschinengewehre und schweres Kriegsgerät wie selbstverständlich im Alltagsbild. Polizeistationen wirken wie Hochsicherheitsgefängnisse. Die Grenze zu Iran ist durch eine Mauer befestigt, die der historisch Chinesischen in nichts nach steht. Der Staat zeigt abermals sein wachsames Auge auf eine, seit jeher, von Separationsbestrebungen geprägte Gegend.
Weiter ging es an den legendären Vansee der nicht, wie vermutet, in der Nähe der deutschen Hauptstadt liegt, sondern in einer entlegenen, teils verwunschenen Gegend der türkischen Provinz. Hier im Schatten der Vulkane hat sich der abflusslose, alkalische See, der größte See der Türkei, über mehr als eine halbe Million Jahre erhalten können. Das basische Wasser lässt kein Leben, in dem bis zu vierhundert Meter tiefen See, zu. Legenden sprechen von einem "Nessi"- artigen Seeungeheur, welches seit Jahrmillionen hier lebt. Verifiziert ist jedoch, dass sich in den Zuflüssen einige Fischpopulationen ausbilden konnten, die mit den Bedingungen zurecht kamen, sich nun aber dank illegaler Fischerei stark in ihrer Existenz bedroht sehen.
Rund um oder im See auf Inseln, kann man die Reste einiger armenischer Klöster entdecken. So sehr der türkische Staat auch den Genozid an der armenischen Bevölkerung kleinredet, es kann wohl kaum geleugnet werden, dass sich hier über Jahrhunderte eine multiethnische, also auch christlich geprägte, Lebenswirklichkeit abgespielt haben muss. Die Ruinen werden von Ankara als Teil der Folklore interpretiert, das Feiern eines Gottesdienstes wurde den verbleibenden Christen bis in jüngste Zeit verwehrt. Dementsprechend freuen sich heutzutage hier lebende Touranbieter über die Möglichkeit, mit Motorbooten die Küste des Sees zu entdecken.
Endlich feiern wir auch die Einschulung von Junior. Mit Bravour meistert er seine erste offizielle Schulstunde. Jetzt kann er sein Gehirn täglich mit Buchstabensalat im Deutsch- und Kuchenachteln im Mathematikunterricht füttern.
Nun sind wir schon einige Zeit unterwegs und können auch endlich mal behaupten, im Kreis gefahren zu sein. So befinden wir uns nun an einem Punkt in der Türkei, an welchem wir uns bereits vor knapp fünf Monaten befanden. Wohin uns die Route weiter führen wird, können uns wohl nur die Magier der arabischen Welt beantworten. Sicher ist, wir haben die hunderttausend mit dem Bus überfahren. Das bedeutet 16.500km seit Start der Reise.
Fortsetzung folgt...
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